AudioLust & HigherLove

AudioLust & HigherLove

Nur zwei Wochen nach der Veröffentlichung seines Debüts „times“ im Jahr 2021 begann SG Lewis, an seinem nächsten Projekt zu arbeiten. „Ich habe angefangen, einfach Sachen rauszuhauen, um zu sehen, was hängen bleibt“, erzählt der Singer-Songwriter, DJ und Produzent Apple Music. „Irgendwann habe ich wohl den Verstand verloren. Nicht im negativen Sinn, aber mir war echt alles egal. Es gab keinen Kontext für meine Musik. Die Welt war im Lockdown, und es gab keine Szene mehr.“ Diese Lockdown-Welt hatte dazu geführt, dass Lewis auf „times“ Disco-angehauchte Dancefloor-Hymnen zelebrierte, die Freude und Eskapismus vermitteln sollten. Der Nachfolger „AudioLust & HigherLove“ holt weiter aus: Lewis verarbeitet euphorischen 80er-Jahre-Pop, Yacht-Rock, seine Verehrung für Daft Punk und vieles mehr – und das mit dem typisch schillernden Sound, für den seine Kolleg:innen gerne Kollabos anfragen. Wenn das die Erwartungen mancher durchkreuzt, ist das volle Absicht. „Ein Teil von mir wollte einfach zeigen, dass ich nicht nur ein DJ und Produzent bin“, gibt der in London lebende Künstler zu. „Ich will auf jeden Fall etwas beweisen.“ Lewis hatte kein vorformuliertes Konzept für sein zweites Album, aber während der Produktion kristallisierte sich schnell eines heraus. „AudioLust & HigherLove“ ist, wie der Titel schon andeutet, ein Album über Lust – in einer „rauschenden, dunkleren, intensiveren“ ersten Hälfte – und Liebe, einer „schwebenden, psychedelischen, warmen Welt“, die das Album ausklingen lässt. Es ist „Yin und Yang“ und „zwei Seiten derselben Medaille“, sagt Lewis. Aber es klingt auch nach der Erfahrung, aus einer toxischen, turbulenten Beziehung in eine voller Leichtigkeit, Zufriedenheit und Liebe zu wechseln. Lies weiter und folge Lewis, der uns durch diese Reise führt, Track für Track. „Intro“ Ich denke, das Intro ist eine Art Gaumenreiniger. Ich wollte für die erste Hälfte des Albums einen klanglichen Kontext schaffen und sofort in ihre Dunkelheit und Intensität einleiten. Es fühlte sich einfach so an, als bräuchte es eine größere Einleitung als beim letzten Mal, bevor es auf die Reise geht. „Infatuation“ Fast hätte ich an einem bestimmten Punkt das Album „Infatuation“ genannt – es ist so ein besonderes Gefühl und es hat eine so dunkle Seite. Es impliziert, dass du nicht ganz richtig im Kopf bist, es hat etwas Manisches an sich. Ich habe damals 80er-Jahre-Pop gehört und wollte einen Song schreiben, der irgendwie wie „Every Breath You Take“ klang, das diesen dunklen Touch hat. Das hier geht aber noch einen Schritt weiter. „Holding On“ In der Musik der 80er und im Yacht-Rock wurden alle Register gezogen. Ich denke, das ist das Bewundernswerteste an dieser Ära, aber auch der Grund, warum sie manchmal als kitschig bezeichnet wird. Das war etwas, das in der Popmusik so sehr fehlte, als ich das Album machte. Für das Ende habe ich ein Synthesizer-Solo gemacht. Ich habe im Stil von Prince mit einer runtergepegelten Stimme geredet. Ich habe ein Instrumentalsegment eingebaut. Aber ich dachte mir: „Was soll‘s? Wenn ich jemals irgendwo ein grandioses Gitarrensolo unterbringen werde, dann hier.“ Da sind ein kleines Augenzwinkern und ein Nicken drin. Ein Insider-Witz. „Call On Me” [mit Tove Lo] Tove Lo ist eine der coolsten Personen überhaupt, und sie ist auch eine unglaubliche Autorin. Ich hatte den Beat, den ich und Orlando [Higginbottom, alias Totally Enormous Extinct Dinosaurs] [gemacht haben], und den instrumentalen Aufbau. Ich wollte ihr etwas präsentieren, von dem ich sicher war, dass es gut war. Sie hat sehr schnell gearbeitet und sehr sachlich. In der Vergangenheit war ich etwas planlos, aber sie hat mir beigebracht, innezuhalten, die Songs zu analysieren und zu erkennen, dass sie verbessert werden können. Also gab es ungefähr zehn Versionen dieses Stücks, und ich glaube wirklich, dass der Song, der rausgekommen ist, die beste aller Versionen ist. „Oh Laura“ Dieser Song ist so kantig und klingt nach Spaß, aber der textliche Inhalt ist chaotisch. In vielerlei Hinsicht hat dieses Stück wahrscheinlich am wenigsten mit mir zu tun, aber ich wollte einfach unbedingt einen 80er-Jahre-Popsong machen. Sowohl Orlando als auch ich haben einen typischen Hintergrund in der Dance Music, und ich wollte einen Song machen, der genau damit nichts zu tun hat. Dieses Stück ist keine wahre Geschichte über eine bestimmte Person. Ich glaube nicht, dass ich in der Lage wäre, einen Song herauszubringen, der so brutal ist! „Missing You“ Das ist am Tag nach „Holding On“ entstanden, und ich habe einfach 80er-Jahre-Bezüge in meine Beat-Ideen geworfen. Aber ich glaube, ich hatte immer noch Tendenzen in mir, die Dance Music machen wollten – ich steckte nicht so wahnsinnig tief in dem Yacht-Rock-Loch, in das ich gefallen war. Das Ganze hatte etwas Düsteres und Rustikales. Es erinnerte mich an viele klassische Sachen aus den 80ern, wie die Fernsehserie „Knight Rider“. Die Idee, einfach vorwärts zu fahren. Ich wollte einen Song mit einer Synthie-Line, den die Leute mitsingen können, wenn ich ihn spiele. Ich habe fast versucht, mir vorzustellen, wie ein ganzes Stadion ihn singt. „Another Life“ An diesem Punkt war mir klar, dass ich meine gesamte Fangemeinde vergrault haben könnte. Ich wollte, dass dieses Stück wie ein Progressive-House-Song der 2010er klingt. Die Welt begann sich wieder zu öffnen und ich dachte: „Sonnenuntergänge, Partys“. Mir ging es darum, einfach ein paar Themen der Dance Music wieder einzuführen, damit die Leute nicht denken, dass ich völlig den Verstand verloren habe, und nicht mehr zuhören. Nur, um mich selbst daran zu erinnern, dass ich Dance Music mag. Es sollte cineastisch werden, mit Streichern, und ein bisschen dramatisch. „Fever Dreamer” [mit Charlotte Day Wilson und Channel Tres] Nachdem Charlotte und ich [an diesem Lied] gearbeitet hatten, schrieb sie mir am nächsten Tag eine Nachricht und meinte: „Oh mein Gott, ich liebe es. Es klingt wie ein Schwulenclub um 4 Uhr morgens in Berlin oder so.“ Ich dachte mir: „Das ist die beste Kulisse für diesen Song.“ Ich würde Channel Tres auf jedem Track haben, wenn ich könnte. Das Besondere bei den Kollabo-Stücken auf diesem Album ist, dass niemand etwas schreiben durfte, ohne festzulegen, für welche Seite des Albums [der Song bestimmt war]. Die Ansage war: „Hier ist das Konzept des Albums, hier sind ein paar Instrumentals von jeder Seite, such dir eine Seite aus.“ „Epiphany“ Dieser Song fühlte sich wie ein Moment der Erkenntnis an. Er soll ein Aufwachen aus dem vorherigen Bewusstseinszustand sein. Die 303 Acid-Line stammt zum Teil von Daft Punk und auch vom Outro des Tame Impala-Songs „Breathe Deeper“. Einfach toll, dass er mitten in diesem Popsong eine 303 einsetzt. Es ist schrill, aber auch richtig cool. „Lifetime“ Dass die Melodie dieses Songs mit „Infatuation“ übereinstimmt, habe ich nicht absichtlich gemacht. Aber die Leute haben das bemerkt. Wenn ich von jeder Seite einen Song auswählen müsste, um beide [Teile des Albums] zusammenzufassen, dann wären das wohl „Infatuation“ und „Lifetime“. Dieser Song ist unbeschwert – es gibt keine Schatten darin. Er handelt von [Songwriter und Mitstreiter] Ed Drewett und seiner Frau. Ed erzählte uns die Geschichte, wie er als 12-Jähriger in einem Einkaufszentrum in Essex auf seine spätere Frau zuging und sie nach ihrer Nummer fragte. Danach waren sie fast 15 Jahre lang befreundet, wuchsen in derselben Stadt auf, waren aber immer mit anderen Leuten zusammen. Eines Tages saß er auf dem Rückflug von L.A., war total betrunken und schrieb ihr eine Nachricht: „Ich habe mein ganzes Leben darauf gewartet, es dir zu sagen, aber ich bin total in dich verliebt.“ Ich wusste sofort, dass wir diesen Song schreiben mussten. „Plain Sailing“ Das hier ist ein echtes Augenzwinkern. Weil der Yacht-Rock insgesamt so einen Einfluss hatte, fand ich den Titel „Plain Sailing“ einfach lustig. Der Song passte in die zweite Hälfte des Albums, ich hörte zu der Zeit viel „Sailing“ von Christopher Cross. Die Tatsache, dass einer der größten Yacht-Rock-Songs überhaupt „Sailing“ heißt, ist einfach so witzig. „Vibe Like This” (feat. Ty Dolla $ign) [mit Lucky Daye] Hier sind wir tief im Yacht-Rock-Loch. Ich habe diesen Beat zusammen mit Conor Albert gemacht und er hat einfach diese echte Freude und Leichtigkeit. Ty Dolla $ign und ich haben zusammen an einem Song gearbeitet, der letzten Endes in keinem Projekt für irgendjemanden gelandet ist. Aber über die gemeinsame Zusammenarbeit hat sich ein gegenseitiger Respekt entwickelt. Ich hatte eine Session mit Lucky und fragte: „Warum machst du da nicht mit?“ Zu sehen, wie die beiden am Mikrofon hin und her wechseln, war ziemlich unglaublich. „Different Light“ Ich wollte, dass der Track psychedelisch und schwebend wird, wie ein Tagtraum. Es ist eine Art Zwischenspiel, aber eigentlich geht es um einen Zustand von psychedelischer Freude und Spaß. „Something About Your Love“ Daft Punk hatten aufgehört, und ich habe sie wirklich vermisst – der Einfluss, den sie auf mich hatten, ist ganz klar. Ich wollte eine Ode an sie machen. Melodisch, akkordmäßig und textlich ist es nicht dasselbe wie „Digital Love“, aber es ist ganz klar, was es sein soll. Es war ein bisschen wie „Ich will Daft Punk von heute sein“, aber allein durch die Entscheidungen, die ich als Produzent und Künstler treffe, steckt am Ende auch ein bisschen von mir drin. „Honest“ Hier geht es um den Moment, in dem sich der Kreis schließt. Ich spreche über das Yin- und Yang-Element des Albums und darüber, dass diese idealisierte, perfekte Version von Liebe und Romantik manchmal auseinanderfallen kann. Es besteht die Gefahr, dass alle damit glücklich sind, aber ich glaube, das ist in der Realität oft nicht der Fall. Der Song bringt dich zurück zum Anfang des Albums. Ich wollte, dass er nachdenklich ist, ohne deprimierend zu sein, ein Zustand der Akzeptanz und Traurigkeit, aber keine Schwere. Er ist ein Fragezeichen.

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