The New Four Seasons - Vivaldi Recomposed

The New Four Seasons - Vivaldi Recomposed

„Der Versuch, das Gefühl des Staunens wiederzuerlangen.“Im Jahr 2014 wurde die Ersteinspielung von Max Richters „Recomposed By Max Richter: Vivaldi, The Four Seasons“ bei der Deutschen Grammophon veröffentlicht. Der Violinist Daniel Hope und das Konzerthaus Kammerorchester Berlin wagten sich mit diesem Werk an die Neuinterpretation eines der beliebtesten und wertvollsten Meisterwerke der klassischen Musik: Vivaldis „Die vier Jahreszeiten“, ein Satz von vier Violinkonzerten, der erstmals 1725 veröffentlicht wurde. Das Album vereinte Tradition und der Revolution auf meisterhafte Weise – und eroberte zu Recht die Welt der klassischen Musik im Sturm. Acht Jahre später fasste Richter den kühnen Entschluss, seine Version der „Vier Jahreszeiten“ neu aufzunehmen (erneut bei DG erschienen), unter Verwendung von mit Darmsaiten bespannten historischen Instrumenten, gespielt von der Solistin Elena Urioste und dem Chineke! Orchestra. „Ich musste nicht lang überlegen“, sagt Richter zu Apple Music. „Die Instrumente der damaligen Zeit haben eine gewisse Agilität und Leichtigkeit, sie können schnelle dynamische Wechsel vollziehen und detaillierter artikulieren werden. Ja, der Klang ist kompakter, aber in gewisser Weise ist es ein menschlicherer Klang. Er ist kammermusikähnlicher, intimer.“Die digitalen Klänge, die Richter in die Originalaufnahme von 2014 eingearbeitet hat, um den Bassstimmen mehr Gewicht zu verleihen, wurden hier durch die etwas weniger glatten, körnigeren Klänge früher Synthesizer ersetzt, darunter einer der allerersten: der kultige und seltene Minimoog aus den 1970er-Jahren. („Ich habe eine Suchaktion im Internet organisiert, und wir haben einen aufgespürt“, sagt Richter über die Beschaffung eines solchen Gerätes). Die Frage bleibt jedoch: Warum Vivaldi neu erfinden? „Wie bei vielen von uns waren ‚Die Vier Jahreszeiten‘ wahrscheinlich das erste Stück klassischer Musik, das ich als kleines Kind kennengelernt habe“, sagt Richter. „Ich verliebte mich in die wunderbaren Melodien, das Drama, die Geschichte, die Ideen, einfach in alles. Aber als Erwachsener war ich von der Musik genervt, weil ich sie immer wieder in Jingles und Werbespots hörte. Für mich war ‚Recomposed‘ ein Versuch, die Zuneigung und das Gefühl des Staunens, das ich beim Original hatte, wiederzuerlangen.“ Hier führt Richter uns durch jedes Konzert auf „The New Four Seasons – Vivaldi Recomposed“. Lies weiter!SpringDas ganze Stück beginnt mit einer Art Ouvertüre – „Spring 0“ liefert den Kontext, danach beginnt „Spring 1“ mit Vivaldis Vogelgesang. Aber wir leben im 21. Jahrhundert und haben schon jede Menge verschiedene Arten von Vogelstimmen gehört, sei es zu Beginn von Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ oder Messiaens Klaviermusik. Statt nur zwei oder drei Vögel wie bei Vivaldi gibt es hier diese große Wolke von acht Vögeln. Darunter erklingt diese langsame, getragene Musik, die scheinbar nichts mit Vivaldi zu tun hat. In gewisser Weise hat sie aber doch etwas damit zu tun: Sie ist im Stil der damaligen Zeit komponiert. Der langsame Satz basiert auf einer viertaktigen Vivaldi-Phrase, die ich mit neuen Harmonien und einem neuen Arrangement versehen und in einen neuen Kontext gesetzt habe. Und dann gibt es den schnellen letzten Satz, der auf nur sieben Vivaldi-Noten basiert. Das ist etwas, das im Original vorkommt, aber ich dachte mir: „Das ist eine großartige kleine Perle.“ Und so setzte ich neues Material darunter und klammerte den Rest des Satzes aus.SummerDie beiden Ecksätze von „Summer“ beinhalten sehr viele Patterns, aus denen ich die Dance Music-artigen Teile von „Recomposed“ konstruiert habe. Sie übernehmen Vivaldis Prinzip, Musik aus Patterns zu machen, und intensivieren alle Parameter. Statt dass der erste Satz aus einer schnellen Folge von Sechzehntelnoten besteht, dann einer Pause und dann wieder einer schnellen Folge von Sechzehntelnoten wie bei Vivaldi, habe ich ein Perpetuum mobile daraus gemacht. Ich habe den treibenden Aspekt des Original-Vivaldis verstärkt. Im langsamen Satz von „Summer“ habe ich ein paar Fragmente von Vivaldi genommen und eine größere Struktur geschaffen, indem ich sie einfach isoliert, wiederholt und in einen neuen Kontext gesetzt habe. Der letzte Satz hat, wie der erste, diese treibende Energie, die wir aus dem Dance-Genre kennen.AutumnBei „Autumn“ habe ich einige kleine Falltüren in Vivaldis Material eingebaut. Da ist dieses 4/4-taktige, sehr pulsierende Material im Ensemble, und ich habe es unterwandert. Statt vier Schläge pro Takt sind es jetzt sieben, fünf und drei. Es ist vertraut und doch ungewohnt, und es ist ein nettes kleines Spiel, das unser Gedächtnis in die Irre führt. Oft fragt man sich, was gerade passiert ist, und das gefällt mir sehr. Es macht Spaß – und es macht Spaß, es zu spielen. Mit dem langsamen Satz habe ich nichts weiter gemacht, außer die Basso-Continuo-Stimme einzubauen. Ich wollte, dass der Satz nur aus gleichmäßigen Achtelnoten besteht: Es ist eine Art anachronistisches Zitat des Beatles-Songs „Because“ auf „Abbey Road“ mit seiner Clavinet-Begleitung aus geraden Achtelnoten. Die pulsierenden Texturen des letzten Satzes von „Autumn“ sind aus einem einzigen Takt der Violine in der Originalpartitur von Vivaldi aufgebaut.WinterDer erste Satz von „Winter“ ist ziemlich originalgetreu, nur dass ich ihn auf sieben Schläge pro Takt verteilt habe, was ihm eine asymmetrische Stringenz verleiht, die mir sehr gefällt. Die Solovioline spielt hier sehr schnell – eine Art Jimi Hendrix-Moment. Das macht großen Spaß. Im langsamen Satz habe ich Vivaldis Melodie verwendet und die Begleitung durch eine eisige Oberton-Resonanz ersetzt, die auf den Darmsaiten wunderbar zur Geltung kommt. Ich hatte nicht erwartet, dass es so gut funktioniert. Der letzte Satz von „Winter“ besteht aus zwei Takten mit Sechzehntelnoten der Violine. Ansonsten enthält er keine weiteren Elemente von Vivaldi, nur eine Menge pulsierender, absteigender Linien. Die Geige steigt die ganze Zeit auf und das Orchester ab, sodass das Gefühl entsteht, dass sich alles ausdehnt und größer wird.

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