Als The Killers wegen der Pandemie nicht mit ihrem 2020er-Album „Imploding the Mirage“ touren konnten, saß Leadsänger Brandon Flowers nicht herum und wartete auf den Startschuss für eine mögliche Tournee. Stattdessen hatte er während der Quarantäne eine Idee, die sich schließlich zum siebten Studioalbum der Band entwickelte – und auf dem sich auch Gründungsmitglied Dave Keuning an der Gitarre wiederfindet. Die durch den Lockdown aufgezwungene Selbstreflexion führte Flowers immer wieder in die Stadt Nephi (Utah) zurück, in der er aufgewachsen war. „Anfangs hatte ich etwas Angst“, erzählt er Apple Music. „Gerade weil es eine so kleine Stadt ist. Man fragt sich, wie das bei den Leuten auf der ganzen Welt ankommen wird. Es ist ein so derartig spezieller Ort im Südwesten der USA. Aber letztlich konnte ich ihm einfach nicht entkommen. Jedes Mal, wenn ich mich an die Tasten setzte, kamen mir diese Ideen. Sie basierten auf Erinnerungen und Erfahrungen, die ich in der Stadt gemacht habe, oder auf Charakteren, die ich in meiner Kindheit beobachtet habe. Also griff ich sie auf.“„Pressure Machine“ ist anders als alles andere im Repertoire von The Killers. Vom Einsatz von Instrumenten wie der Mundharmonika und der Geige bis hin zu den sehr persönlichen Erzählungen und Interviews mit Menschen, die immer noch in der Stadt leben: Das Album ist ein Liebesbrief an die Orte, an denen man aufgewachsen ist, und an die Menschen, die man zurückgelassen hat – tief verankert in Melancholie und durchsetzt mit Hoffnung. „Tragödien und religiöse Enttäuschung waren die Auslöser“, erklärt Flowers. „Als Kind macht man ständig neue Erfahrungen. Und wenn dann etwas Schockierendes oder Tragisches passiert, hallt das sehr stark nach. Von diesen Dingen fühlte ich mich angezogen.“ Flowers erklärt im Folgenden mehr über diese Erfahrungen und wie sie jeden Track auf „Pressure Machine“ beeinflusst haben.„West Hills“Es gibt meiner Meinung nach eine ganze Subkultur in Utah, weil wir Utah mit dem Mormonentum assoziieren. Ich bin dort aufgewachsen, aber viele Leute [außerhalb Utahs] wissen nicht, dass viele Menschen in der Gegend leben, die nicht Teil dieser Religion sind. Da gibt es eine ganze Welt mit Dirt Bikes, Jeeps und viel Bier. Eine Welt, in der auf ganz anderen Wegen nach dem eigenen Heil gesucht wird – fernab vom sonntäglichen Kirchengang. Ich habe mir bei dem Song ein paar Freiheiten herausgenommen, aber er basiert auf einer wahren Geschichte.„Quiet Town“Ich war in der achten Klasse, als zwei ältere Schüler:innen von einem Zug überfahren wurden. Ihre Namen waren Raymond und Tiffany. Es hat mich ziemlich überrascht, 25 Jahre später festzustellen, dass mich das immer noch extrem belastet. Irgendwie war das für mich und für die Stadt das Ende der Unschuld. Danach merkte ich, dass andere Dinge passierten. Es war fast so, als würde sich diese Tür zur Dunkelheit öffnen. Wir sprechen oft abfällig über Stagnation, und ich denke, das ist eine der Sachen, die mit Städten wie Nephi verbunden wird. Es kann aber auch etwas Schönes sein, weil die Menschen dort an Idealen und Traditionen festhalten. Ich hoffe, dass sich das nie ändert.„Terrible Thing“Jahre nach der Highschool hörst du plötzlich, dass einer der früheren Klassenkameraden schwul ist. Aber niemand wusste es. Es ist einfach eine derart ländliche Cowboy-, Football- und Jagdstadt. Ich habe versucht, die Erfahrungen dieser Person in der Stadt zu verarbeiten und mir vorzustellen, wie schwer es sein muss, in einer solchen Kultur zu leben. Sich nicht sicher genug zu fühlen, um anderen zu sagen, wer man wirklich ist. Denn als Kind oder in der Highschool hast du diesen Mut nicht und ich kann der Person das Schweigen nicht verdenken.„Cody“„Cody“ ist sozusagen die Kombination der großen Brüder meiner Freunde. Ich hatte zwei Freunde, deren ältere Brüder besonders gefährlich schienen. Diese Erinnerungen kamen wieder hoch: Dass du Angst vor ihnen hattest oder Geschichten hörtest über das, was sie getan haben, oder dass sie verhaftet wurden oder was auch immer. Es gelang mir, sie alle zu dieser einen Figur zu verschmelzen.„Sleepwalker“ Die erste Zeile, von der ich wusste, dass sie gut ist, war „It doesn‘t come from outside/It comes from within“. Also baute ich den restlichen Text um diesen Satz herum. Ich war erst vor Kurzem zurück nach Utah gezogen und erlebte wieder die Jahreszeiten. Denn in Vegas wird es heiß und dann wird es kalt, das war’s. Du hast keine Gelegenheit, die Schönheit und die manchmal krassen Veränderungen des Wetters mitzuerleben. Ich war ganz ergriffen von der Vorfreude auf den Frühling und das neue Leben. Und diese Art von Analogie konnte ich für einen Menschen verwenden, der zu einem neuen Wesen wird und ins Leben zurückkehrt.„Runaway Horses” (feat. Phoebe Bridgers)Das Leben wird hart sein, egal welche Entscheidung oder welchen Weg du einschlägst. Es wird Hindernisse und Hürden geben. In diesem Fall geht es um zwei Menschen, die denken, dass sie den Rest ihres Lebens gemeinsam verbringen werden. Aber letztlich gehen sie dann doch getrennte Wege. Es geht auch darum, nach Hause zu kommen. Egal wo du hingehst oder wie weit du wegtreibst: Du versuchst immer, nach Hause zu kommen.„In The Car Outside”Dieser Song ergab sich sehr schnell. Es war einer dieser Momente, auf die du immer wartest. Einer der Gründe, warum du überhaupt in den Proberaum gehst, ist ja die Erwartung eines Gemeinschaftserlebnisses – dass du etwas mit anderen teilen kannst. Der Track entstand sehr schnell und es war wirklich aufregend, ein Teil davon zu sein.„In Another Life”Das Gefühl kennt wahrscheinlich jeder: Sich zu fragen, wie das Leben wohl verlaufen wäre, wenn man etwas anders gemacht hätte. Oder du fragst dich zumindest, ob der:die Lebenspartner:in darüber nachdenkt. Ich glaube, dieser Mann hinterfragt einfach die Entscheidungen, die er getroffen hat. Und er fragt sich, ob er dem entspricht, was seine Frau sich von ihm erhofft hat. Es ist definitiv ein trauriger Song, durchdrungen von Melancholie.„Desperate Things“Hier geht es um einen kleinen Skandal, der sich [in Nephi] zugetragen hat. In der dritten Strophe habe ich mir ein paar Freiheiten genommen und auf die Spitze getrieben. Ich erzähle gerne Geschichten. Es gibt Leute wie Nick Cave und Johnny Cash und andere großartige Geschichtenerzähler:innen, die mich total beeinflusst haben. In Popsongs gibt es nicht viele dritte Strophen und es ist nichts, was man mit einem typischen Killers-Song verbindet – diese dritte Strophe war mir aber wichtig, um die Geschichte zu erzählen. Es ist wahrscheinlich die düsterste Strophe, die ich je geschrieben habe.„Pressure Machine“Es ist irgendwie traurig, wie schnell wir erwachsen werden, und traurig, wenn wir Eltern sind und das beobachten. Wenn du ein Kind bekommst, sagt dir jeder. „Mach das Beste daraus. Sie sind erwachsen, bevor du es überhaupt merkst.“ Dieser Rat wirkt so überflüssig. Aber dann erkennst du, dass es wirklich wahr ist, und es bricht dir irgendwie das Herz.„The Getting By“Auch wenn das Leben hart ist, wenn du unzufrieden bist oder dich abschuftest – Hoffnung gibt es immer. Das ist es, was diese Menschen zu dem macht, was sie sind. Sie stehen auf und gehen jeden Tag zur Arbeit. Ich habe großen Respekt vor ihnen und ich fühle mich gar nicht so weit von ihnen entfernt. Ich dachte hier an Leute wie meine Onkel und meinen Vater, meine Neffen und meine Cousins – und wollte einfangen, was ich in ihrem Leben sehe.