Point

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Seit über vier Jahrzehnten sind Yello der wohl wichtigste musikalische Export der Schweiz. Viele dürften die Musik von Dieter Meier und Boris Blank über Filme kennengelernt haben: So wurde „Oh Yeah“ (1985) gleich drei Mal für Hollywood-Filme verwendet – der Track ist sowohl an prominenter Stelle in „Ferris macht blau“ als auch in „Das Geheimnis meines Erfolges“ und in „Mein Partner mit der kalten Schnauze“ zu hören. Auch „The Race“ mit seinem charakteristischen Sprechgesang („On the fast lane of the street I’m driving. Sometimes, somewhere I’m arriving.“) dürfte dem ein oder anderen älteren Semester bekannt sein: Der Song leitete in den 80er-Jahren die legendäre Musiksendung „Formel Eins“ ein. Jetzt erscheint mit „Point“ ein neues Werk des Zürcher Duos. Der erste Vorbote auf das Album erreichte uns schon im Frühsommer: „Waba Duba“ hieß der Track, in dem die beiden Schweizer mischten, was andere nie mischen würden: Englisch etwa (in den Strophen) und eine eigene Kunstsprache im Refrain. Jazz- und Latin-Patterns, einen Elektro-Beat und blech- und holzbläserartige Sounds. Vor allem aber: viele Klänge, die gar nicht so leicht zuzuordnen sind. Da ist eine Stelle, die so klingt, wie die Zeichentrick-Version einer E-Gitarre. In einem anderen Moment scheint jemand zu scratchen. Aber seit wann verwenden Yello Plattenspieler? Der Track führt uns direkt hinein ins Yello-Universum. Und er sagt eine Menge darüber aus, wie die Musik der beiden entsteht. „Wir sind im Prinzip Maler“, sagt Boris Blank, um anschließend zu erklären, wie denn so ein Yello-Album für gewöhnlich entstehe: „Ich gehe in das Studio, wie ein Maler in sein Atelier geht. Statt Bildern schaffe ich Musik und Geräusche. Die führen mich dann, bringen mich mit weiteren Klängen zusammen, bis irgendwelche Konturen entstehen, bis ich ein Soundgebilde geschaffen habe, zu dem ich den Dieter einladen kann.“ Wichtig dabei: Den Zufall zu akzeptieren. Nicht allzu perfektionistisch zu sein. Schlussstriche zu ziehen. „Das ist eine Entscheidungskraft, die aus Erfahrung stammt. Man kann sich so lange drehen, bis man den eigenen Hintern sieht. Aber das möchte man ja nicht!“ Dieter Meier sagte selbst einmal, er agiere dann wie Jackson Pollock und tupft seine ganz eigenen Farben auf das, was Blank ihm vorsetzt. Der wählt einen anderen Vergleich: „Dieter kommt dann in diese Klangbilder rein, erfindet eine Person oder eine Geschichte dazu. Er schreitet durch diese Landschaft.“ Werkzeug seiner Wahl ist dabei übrigens eine Schreibmaschine: Die Texte entstehen auf einem Schweizer Qualitätsmodell vom Typ Hermes Baby. Das ist heute also das bewährte Yello-Prinzip. Es dauerte etwas, bis es sich einpendelte. Denn als Yello Ende der 70er-Jahre begannen, war das Expressive an Meier für Blank erstmal ein Schock. Er befasste sich mit den neuen Instrumenten der Zeit, mit Synthesizern und Samplern. Und dann wurde ihm dieser Kerl vorgestellt, dessen musikalischer Ansatz doch ein anderer war: „Dieter war vor Yello ein Punk-Sänger. Der schrie mit seiner Stimme sehr dynamisch um sich. Das war am Anfang befremdlich für mich. Er wurde dann etwas domestiziert. So hergerichtet, dass er passte.“ Rasch stellte sich heraus: Er passte gut. Und er tut es immer noch. Das Duo Yello lebt von seiner Verbundenheit, aber auch von seinen Gegensätzen. Blank ist der Handwerker der Band, der früher am Küchentisch seine Klangschleifen schuf und das heute im Studio mit modernster Technik tut. Meier ist ein stets fein gekleideter Dandy aus gutem Hause, der im übrigen eine interessante Vorgeschichte im Bereich der bildenden Künste hat und heute neben der Musik vor allem in der gehobenen Gastronomie tätig ist: Unter anderem betreibt er zwei Restaurants in Berlin. Zwei Querköpfe also, die seit 40 Jahren an ihrer eigenen Geschichte arbeiten – und an einem Sound, der so recht in keine Schublade passen möchte. Manchmal denkt man: Das sind doch Funk-Pioniere! Bei anderen Songs fallen einem als Vergleich eher 70er-Größen wie Devo ein. „Out Of Sight“ schließlich, einer der weiteren neuen Tracks, schiebt Sprechgesang und Elektro-Patterns übereinander, einmal erklingt sogar eine Sirene. Im Grunde genommen ist es aber eine sehr eigene Musik und immer mehr als die Summe der einzelnen Teile. Das liegt sicher an einer ganz simplen Tatsache: Routine gibt es bei Yello nicht. „Dieter überrascht mich jeden Tag aufs Neue. Er hat eine Sprache, die mich immer wieder spontan zum Lachen bringt. Gestern sagte er erst in einem Interview: Wenn er meine Musik hört, dann hechtet er sich in die Szene rein. Das habe ich mir dann bildlich vorgestellt.“ Man darf davon ausgehen, dass Blank mit seinen Klangbildern Meier ebenfalls überrascht, denn eines dürfte klar sein: Als Zuhörer bereitet einem der quietschbunte Trademark-Mix der beiden ordentlich Spaß. Wer sich aktiv in die musikalischen Gefilde der beiden begeben möchte, kann das recht einfach tun: Der „Yellofier“, die App der beiden, formt aus alltäglichen Geräuschen einen Track nach dem typischen Geschmack der Schweizer.

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