ENERGY (Deluxe)

ENERGY (Deluxe)

Fast fünf Jahre sind vergangen, seit Disclosure ihr zweites Album „Caracal“ veröffentlichten. Jetzt erscheint ihr außergewöhnliches drittes. „Es gibt eine magische Grenze, die du als Künstler überschreiten musst, bevor du dir eine längere Auszeit nehmen kannst und es Leute noch einen Scheiß kümmert, wenn du wieder auf der Bildfläche erscheinst“, erklärt Guy Lawrence gegenüber Apple Music. „Weil wir, das Elektro-Duo aus Surrey, alle Erwartungen übertroffen hatten, glaubten oder besser hofften wir, uns diese Position erarbeitet zu haben.“ „ENERGY“ rechtfertigt die Kunstpause der Lawrence-Brüder und die Großbuchstaben im Albumtitel. Das Werk ist ein buntes Fest voller lebendiger und aufregender Sounds, das mehr Musikstile verbindet, als in diesem Rahmen sinnvollerweise aufzuzählen wären. „Zum ersten Mal hat der Titel des Albums auch eine Verbindung zum Inhalt“, sagt Howard. „Als wir den Titel für ‚Settle‘ auswählten, gefiel uns einfach das Wort. ‚Caracal‘ ist nach meiner Lieblingskatze benannt. Bei diesem [Album] gingen wir außerdem etwas taktischer vor als sonst. Unser Vokabular ist umfangreicher geworden. Unsere Fähigkeiten sind derart gewachsen, dass wir in unserer Herangehensweise viel freier sein können. Wenn Guy jetzt mit einem French House-Track ankommt, dann kann ich sagen, welche Akkorde am besten die Stimmung wiedergeben, die ich ausdrücken möchte, und diese Akkorde stehen mir dann auch zur Verfügung. Früher hätte ich einfach alle Akkorde ausprobiert, die ich kenne.“ Die Lawrence-Brüder dürfen jetzt ihre Entwicklung anhand dieser Track-für-Track-Besprechung von „ENERGY“ unter Beweis stellen.Watch Your Step [Disclosure & Kelis]Guy Lawrence: „Der ganze Track fing mit den Drums an. Ich bastelte gerade an einigen  Breakbeats herum, die ich im Laufe der letzten Jahre gesammelt habe, und klapperte einfach zusammen mit Kelis einen nach dem anderen ab. Sie war sofort voll dabei, weil sie das Ganze direkt an volle Tanzflächen und House Music erinnerte. Den ganzen Song schrieben wir an einem Tag in diesem Raum, in dem wir den ganzen Tag lang den Drum-Loop bei voller Lautstärke laufen ließen, während wir am Song tüftelten. Mit Kelis wollten wir tatsächlich schon seit zehn Jahren etwas zusammen machen. Ich wusste nicht, was mich erwarten würde und dachte, dass mich die Situation eventuell etwas einschüchtern könnte, man erinnere sich nur an das Video zu ‚Milkshake‘. Aber sie war die freundlichste, lockerste Person – die die unglaublichsten Restaurant-Tipps für London parat hatte.“Howard Lawrence: „Bei diesem Breakbeat höre ich auch immer schon den Bass mit. In dem Song geht es darum, wie es ist, einfach für sich selbst in einen Club zu gehen. Man ist nicht da, um anzugeben oder so was. Das Ego bleibt draußen. Du bist einfach nur da für den Moment. Dann entwickelt sich der Song und man bekommt mit, dass noch jemand anderes gerade auch seinen Moment erlebt. Am Ende teilt man diesen Moment miteinander.“Lavender [Disclosure & Channel Tres]HL: „Hier haben wir das erste Mal mit einem US-Rapper zusammengearbeitet. Wir waren Channel vorher noch nie persönlich begegnet, und am Anfang war er sehr ruhig und eher schüchtern. Wir vermuten, dass er vielleicht ein bisschen high war. Aber natürlich kannten wir seine Songs und fingen bald an, uns mit ihm über Musik zu unterhalten, und dann war alles ganz einfach. Das war definitiv das erste Mal, dass ich am Text für einen Rap-Song mitgeschrieben habe. Zuerst, glaube ich, fand Channel es etwas seltsam, dass ich Ideen beizutragen hatte, die ihm obendrein noch gefielen. Sicherlich bin ich kein Rapper, aber Lyrics – ob gerappt oder nicht – sind immer noch Lyrics. Es ist wie Poesie. Eigentlich fühlte es sich sogar einfacher an, weil ich Ideen ausprobieren konnte, die ich sonst nie [hätte formulieren können]. Das war ein überaus befreiendes Schreiberlebnis.“GL: „Am Ende nahmen wir tatsächlich einfach eine Idee, die ich auf meinem iPad hatte. Ich habe mit ein paar Apps, mit denen man Loops und Drums programmieren kann, herumgespielt. Dann kam Channel dazu und begann zu rappen und Geräusche zu machen, woraus wir dann ganz natürlich die Bassline entwickelt haben.“My High [Disclosure & slowthai]GL: „Nur bei diesem Song machen zwei verschiedene Künstler mit. Die erste Session mit Aminé [der die erste Strophe rappt] hatte eine ziemlich krasse Energie. Wir hatten einen ganz schönen Jetlag und etwa fünf Tassen Kaffee intus."HL: „Sobald der Bass einsetzte, sang Aminé sofort die ganze Hook, einfach so. Also gingen wir kurz was essen und als wir zurückkamen, hatte er die Lyrics für seine Strophe fertig.“GL: „Das ist das Stück, das den Titel des Albums und das Konzept besiegelte. Wir kamen mit leeren Händen ins Studio und brachten jeweils unsere stärksten Seiten zum Einsatz. Howard kümmerte sich um die Bassline, ich mich um die Drums und Aminé rappte dazu. Es lief alles superharmonisch ab. Fast so, als würden wir einen Song covern, den es schon gab. Dann fiel uns ein Weg ein, wie wir dem Song einen zusätzlichen Energieschub verpassen konnten – dafür mussten wir slowthai holen. Wir spielten ihm den Song fünf Minuten lang in Schleife vor und dann sagte er uns, dass er bereit sei, loszulegen. Er war schon vorher mit Aminé befreundet und die Chemie zwischen den beiden ist kaum zu überhören.“Who Knew? [Disclosure & Mick Jenkins]GL: Dieser Song gibt ganz gut wieder, wie Howard und ich uns zu Beginn unserer Karriere mit Disclosure gefühlt haben. Im Grunde beschäftigten wir uns damals mit Dingen, von denen wir nicht wirklich Ahnung hatten. Ich spielte Schlagzeug und Gitarre, Howard spielte Bass und Keyboard und wir hatten beide Interesse am Songwriting. Wir hatten keine großartige Ausbildung in Sachen Garage und House erfahren. Als die Szene aufkam, waren wir ja noch Kinder. Wir hatten nur eine allgemeine Vorstellung, aber mit Vorsicht oder Glück – was von beidem, weiß ich nicht – gelang es uns, unseren eigenen Sound zu beeinflussen. Das ist, was vorgefallen ist, denke ich. Ich wollte, dass es auf  authentische Weise alt klang und total spacig. Wir fragten Mick, ob er mit UK-Garage-Musik vertraut sei. Er war es nicht, also spielten wir ihm ungelogen die ersten paar Tracks von der Garage-Playlist auf Apple Music vor. Die Basics, die jeder kennen sollte. Er mochte das Tempo und den Swing, und es war auch aufregend für ihn, weil er dabei gleich ein völlig neues Genre für sich entdecken durfte.“HL: „Es war für alle eine sehr lehrreiche Erfahrung. Mir war nicht klar, dass Mick so singen konnte. Wenn man mit Sängern zusammenarbeitet, wollen die meistens jede Lücke mit Gesang füllen. Weil Mick aber vor allem ein Rapper ist, gab es dieses Problem nicht. Für ihn – und uns – geht es in erster Linie um Gefühl und Textur.“Douha (Mali Mali) [Disclosure & Fatoumata Diawara]HL: „Fatoumata Diawara ist eine Künstlerin aus Mali. Sie war schon auf ‚Ultimatum‘ [unserer Single aus dem Jahr 2018] mit dabei. Als wir sie fragten, ob wir Samples aus dem Track verwenden dürften, sagte sie glücklicherweise, dass es ihr gefiele, was wir machten, und dann schickte sie uns ihre gesamten A Cappella-Tracks und sagte, wir könnten damit anstellen, was wir wollten. Also machten wir uns an diesen Song, ohne wirklich verstehen zu können, was für einen Text wir da zusammenschnippelten. Dann schickten wir es an Fatoumata, um es absegnen zu lassen und auch um herauszufinden, was wir da kreiert hatten. Glücklicherweise ist der Text unseres Songs ein reines Loblied auf Mali. Jede Textzeile ist eine Variation des Satzes ‚die Menschen auf Bali sind gut‘, was uns sehr freut.“Fractal (Interlude)GL: „Es gab viel Hin und Her über die Frage, ob wir überhaupt Interludes brauchen. Howard und ich setzten sich dafür ein, weil wir so viele verschiedene Genres, Tempi und Sprachen verwenden, dass diese instrumentalen Momente für eine Verschnaufpause sorgen. Auf allen unseren Lieblingsalben gibt es sie – und wir waren auch besorgt, dass das Album sich ohne sie einfach nur wie eine Playlist oder wie eine Kollektion von Singles anfühlen könnte. Bei diesem Track war es mein Ziel zu sehen, wie sehr ich einen auf J Dilla machen kann. Ich wollte einfach seine Energie rüberbringen.“Ce n'est pas [Disclosure & Blick Bassy]GL: „Seit langer Zeit waren wir nicht mehr so nah dran, eine echte Jam-Session aufzunehmen. Ich am Schlagzeug, Howard am Bass und Blick improvisierte die Vocals. Bei der fertigen Aufnahme sind seine Vocals zwar eindeutig mehrstimmig ausgearbeitet, aber jedes Wort entspricht noch genau den ersten Sachen, die er bei jedem Take gesungen hat. Es war unglaublich, wie er unserem Spiel folgte.“HL: „Ich spreche ein winziges bisschen Französisch, also konnte ich hier und da ein paar Worte verstehen und fragte Blick, wovon er hier eigentlich redete. ‚Von gar nichts, Bro!‘, antwortete er. Einiges ist französisch, einiges in dem kameruner Dialekt, den er in seiner Jugend sprach, und das meiste ist einfach nur ein schönes, melodisches Kauderwelsch. Manchmal arbeite ich an einer Melodie und fülle die Lücken mit irgendeinem Quatsch, bevor ich am Ende das Ganze überarbeite und einen vernünftigen Text einsetze. Blick macht nichts dergleichen. Er lässt einfach nur den Vibe sprechen. Es ist genial.“ENERGYGL: „Wir waren so glücklich, wieder mit Eric Thomas vereint zu sein. Er ist ein Motivationscoach, Podcaster, Autor und Pfarrer, den wir schon für ‚When a Fire Starts to Burn‘ [auf unserem Debütalbum ‚Settle‘ aus dem Jahr 2013] gesampelt haben. Er ist ein MC, ohne dass er es wüsste. Wir haben lange gegrübelt, wo wir diesen Song unterbringen sollen, weil er so heftig reinhaut, aber ich glaube, wir haben es hinbekommen. Ich experimentiere schon seit einiger Zeit mit Alben aus Musikbibliotheken herum. Ich konnte eine gute Quelle dafür bei ein paar Typen von Bruton Music in London klarmachen. Da gibt es alles, von kitschigen TV- und Radio-Jingles über Geräusche aus dem Regenwald bis hin zu traditionellen irischen Volksweisen. Sie schickten mir auch einen Ordner mit dem Sound der Trommeln afrikanischer und brasilianischer Ureinwohner. Da fand ich sofort Passagen, die ich übernehmen wollte und bei denen nur noch ein Sänger fehlte, der es mit dieser Energie aufnehmen konnte.“HL: „Der Grund, warum wir Erics Sample auf ‚When a Fire Starts to Burn‘ verwendeten, ist einfach, dass wir mit einem Rapper zusammenarbeiten wollten, aber nicht einen einzigen Rapper kannten. Oder wussten, wo wir einen hätten auftreiben können. Also habe ich ernsthaft eine Google-Suche nach ‚männlicher Sprecher Detroit‘ oder ‚männlicher Sprecher Chicago‘ gestartet. Ich fand jede Menge abgefahrenes Zeug und irgendwann bin ich dann auf die Motivationsreden von Eric gestoßen. Nach der Nummer hätten wir erwartet, dass von jetzt an jeder Samples von Eric verwenden würde. Aber das ist nicht passiert, also dachten wir uns: ‚Scheißegal, machen wir es halt nochmal.‘“Thinking 'Bout You (Interlude)GL: „Dieses Sample [‚You're Still The One‘ von Copperpenny] habe ich vor allem deshalb ausgewählt, weil es sich gut verwenden ließ. Ich wollte mehr über den Tonschnitt für Samples lernen und herausfinden, wie ich dieses Sample mit den Drums zusammenbringen könnte. Kann man es prinzipiell schaffen, etwas, das so sanft und so zart ist, mit einem absolut brachialen Beat zu verbinden?“Birthday [Disclosure, Kehlani & Syd]GL: „Ursprünglich war [bei dem Song] nur Syd dabei. Sie ist echt entspannt, vollkommen gechillt und war mal Toningenieurin, weshalb es ein Traum ist, mit ihr im Studio zu arbeiten. Sie hat ihr Mikrofon selbst ausgerichtet und sich im Grunde auch selbst aufgenommen. Es ist wahrscheinlich der älteste Song auf dem Album – wir haben ihn 2018 geschrieben. Mir gefällt, dass er in Richtung Two-Step Garage geht, dabei aber eher ein Dubstep-Tempo hat und fast zu einem R&B-Song wird. Das hat was von diesem Oldschool-Disclosure-Sound. Wir brachten den Song aus L.A. mit in unsere Heimatstadt London und bemerkten, dass er als Duett ziemlich cool klingen könnte. Syd war einverstanden, bestand aber darauf, dass dafür nur ein Mädchen in Frage käme. Sie schlug Kehlani vor und wir waren natürlich total dafür, glaubten aber auch, dass es sich um eines jener Dinge handeln könnte, das Leute manchmal so dahersagen, wonach dann aber nichts mehr passiert. Eine Woche später war der Song fertig.“HL: „Normalerweise hassen wir es, nur virtuell zusammenzuarbeiten. Wir wollen das Schreiben immer als Team erledigen, damit die kreative Zusammenarbeit funktioniert, weil wir beide sehr spezielle Vorstellungen haben. Aber als Kehlani uns die Strophe schickte, war sie absolut perfekt und es gab für mich wirklich nichts mehr daran zu verbessern. Ich habe es ehrlich versucht, aber es wäre nur schlechter geworden. Also haben wir extra für Kehlani eine Ausnahme gemacht.“Reverie [Disclosure & Common]HL: „Nachdem wir den Song aufgenommen hatten, haben wir in einem Interview mit Common gelesen, dass dies das erste Mal in seiner gesamten Karriere war, dass er bei den Lyrics mit jemandem zusammengearbeitet hat. Ich konnte es nicht glauben, aber er erklärte mir später, dass er normalerweise seine Lyrics schreibt, während er am Steuer seines Wagens sitzt und durch die Gegend fährt. Außerdem schreibt er sich nie etwas auf, und das war so gut wie das erste Mal, dass er einen Text niedergeschrieben hat. Rückblickend hatte ich schon den Eindruck, dass er mich für etwas sonderbar hielt, weil ich mir alles in meinem iPhone notierte. Aber mit ihm zu schreiben war tatsächlich wie ein wahr gewordener Traum. Er war sehr bescheiden, begrüßte jeden im Studio und war ehrlich davon überrascht, was wir alles über seine Musik wussten. Das fühlt sich wie der richtige Song dafür an, das Album zu beenden, weil er wieder mal die ganze Energie des Albums einfängt. Common hat noch nie auf unsere Weise gearbeitet, wir noch nie auf seine, aber wir waren alle für alles offen. Warum also nicht?“

Disc 1

Disc 2

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